COVID 19: Auswirkungen auf unternehmensrechtliche Verträge

Allgemein

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise können Unternehmer in die Situation geraten, bereits abgeschlossene Verträge nicht oder nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erfüllen zu können. Die Gründe dafür können vielfältig sein: das Unternehmen ist von behördlichen Maßnahmen betroffen, Mitarbeiter sind erkrankt oder die Aktivität von Betrieben, etwa der Produktion, wurden eingestellt.

I. Anwendbares Recht

Für die Beurteilung der einzelnen Vertragsverhältnisse ist zu prüfen, welches Recht anwendbar ist. Bei Verträgen mit ausländischen Geschäftspartnern kann eine Rechtswahl getroffen worden sein. Liegt keine Rechtswahl vor, bestimmt sich das anwendbare Recht grundsätzlich nach den Regeln der Rom I-VO. Für grenzüberschreitende Kaufverträge über Waren ist zu beachten, dass das UN-Kaufrecht zur Anwendung gelangen kann.

Auf Verträge zwischen österreichischen Vertragspartnern kommt österreichisches Recht zur Anwendung. Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts ist Basis für die weitere Beurteilung.

II. Vertragliche Regelungen zu „höherer Gewalt“ („Force Majeure Klauseln“)

Für die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf einzelne Vertragsverhältnisse ist zunächst zu prüfen, ob vertragliche Regelungen zu „höherer Gewalt“ (Force Majeure“-Klauseln) vereinbart wurden. Gibt es eine solche Klausel, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Sachverhalte unter „höhere Gewalt“ fallen. Ist dieser Begriff allgemein umschrieben (zB.: Ereignisse, die sich der Kontrolle der Vertragsparteien offensichtlich entziehen), lässt sich der Ausbruch des Coronavirus darunter subsumieren.

Die Rechtsfolgen sind der vertraglichen Vereinbarung zu entnehmen. Diese können etwa Rücktrittsrechte, Haftungsausschlüsse oder ein Ruhen der Leistungspflichten für die Dauer der Krise sein.

III.  Keine vertragliche Regelung

Berufung auf „höhere Gewalt“ möglich?

Gibt es keine vertragliche Regelung, ist eine Berufung auf „höhere Gewalt“ unter Geltung des österreichischen Rechts möglich. Allgemein versteht man darunter ein unabwendbares Elementarereignis, das überhaupt nicht oder nicht mit zumutbaren Mitteln verhindert werden kann (vgl RIS-Justiz RS0027309). Im Zusammenhang mit der Infektionskrankheit SARS bejahte der OGH (4 Ob 103/05h) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 das Vorliegen höherer Gewalt. Daraus ist zu schließen, dass der Ausbruch des Coronavirus und seine weitreichenden Folgen ebenfalls unter diesen Begriff zu subsumieren sind.

Als Konsequenz daraus besteht für den Schuldner, der aufgrund der COVID-19-Krise nicht vereinbarungsgemäß leisten kann, keine schadenersatzrechtliche Haftung. Freilich muss genau geprüft werden, ob diese Krise und ihre Folgen tatsächlich Einfluss auf die Leistungserbringung hatten und ob der Schuldner dies mit zumutbaren Mitteln nicht verhindern konnte.

Ist für den Schuldner absehbar, dass er von der COVID-19-Krise betroffen sein wird, sind seine Vertragspartner unverzüglich darüber zu informieren. Verletzt der Schuldner seine Information- bzw Warnpflicht, kann daraus eine Haftung folgen.

Die Leistung kann nicht termingerecht erbracht werden (Schuldnerverzug)

Kann eine Leistung nicht termingerecht erbracht werden, befindet sich der Schuldner in Verzug. Unabhängig von der Frage, ob die Verzögerung verschuldet ist, kann der Gläubiger auf Erfüllung bestehen oder unter Setzung einer Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Wenn die Verzögerung der Leistungspflicht auf die COVID-19-Krise zurückzuführen ist und keine abweichende vertragliche Regelung vereinbart wurde, treffen den Schuldner zwar keine Schadenersatzpflichten, der Gläubiger kann aber dennoch vom Vertrag zurücktreten.

Die Leistung kann in absehbarer Zeit gar nicht erbracht werden (nachträgliche Unmöglichkeit)

Ist der Schuldner aufgrund der COVID-19-Krise, etwa wegen behördlicher Sperren oder wegen Veranstaltungsabsagen aufgrund behördlicher Verbote, in absehbarer Zeit nicht in der Lage, einen bereits abgeschlossenen Vertrag zu erfüllen, liegt nachträgliche Unmöglichkeit vor. Dies wird man dem Schuldner in der Regel nicht vorwerfen können. Die vertraglichen Verpflichtungen werden in diesem Fall aufgehoben. Der Schuldner muss demnach seine Leistung nicht mehr erbringen, er erhält aber auch kein Entgelt.

Die Leistung kann erbracht werden, der Vertragspartner verweigert aber die Annahme (Gläubigerverzug)

Kann der Schuldner die eigene Leistung ordnungsgemäß erbringen, und verweigert der Vertragspartner die Annahme, liegt ein sogenannter Gläubigerverzug vor. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn die Produktion des Vertragspartners vorübergehend ausgesetzt wurde, und eine Zulieferung momentan nicht benötigt wird.

Grundsätzlich kann der Gläubiger nicht zur Annahme der Leistung verpflichtet werden. Der Vertrag bleibt in diesen Fällen aufrecht. Der Schuldner hat Anspruch auf die Gegenleistung, kann aber vom Vertrag allein aufgrund der Annahmeverweigerung nicht zurücktreten. Der Gläubiger trägt aber das Risiko, dass die Leistung durch einen Zufall oder durch leicht fahrlässiges Verhalten des Schuldners untergeht.

Wurde hingegen vereinbart, dass der Gläubiger auch zur Annahme der Leistung verpflichtet ist, kann der Schuldner diese Verpflichtung gerichtlich durchsetzen. Bei Annahmeverweigerung des Gläubigers kann der Schuldner vom Vertrag zurücktreten.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Ist die vereinbarungsgemäße Erfüllung eines Vertrages zwar noch möglich, aber für einen Vertragsteil wegen einer wesentlichen Änderung der Umstände (zB. COVID-19-Krise) nicht mehr zumutbar, könnte als „letztes Mittel“ eine Aufhebung oder eine Anpassung des Vertrages mit dem Argument des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ begehrt werden. Im Obsiegensfall käme es zu einer Aufhebung oder Anpassung des Vertrages zum Zeitpunkt des Wegfalles der Geschäftsgrundlage.

Betroffen können etwa Verträge mit Unternehmern sein, deren Betriebsstätten für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen durch die behördliche Anordnung nicht mehr betreten werden dürfen, deren Existenz aber wesentliche Voraussetzung für den Vertragsabschluss war; ebenso Verträge denen zufolge Unternehmer nunmehr für eine Leistung bezahlen müssten, die sie – aufgrund unvorhersehbarer äußerer Umstände – nicht (mehr) benötigen und die daher zwecklos ist. Wurden die Verträge abgeschlossen, obwohl bereits mit einer behördlichen Anordnung zu rechnen war, wird eine Anfechtung scheitern. Die oberstgerichtliche Judikatur ist sehr zurückhaltend.

Muss die Miete für ein Geschäftslokal weiterhin (zur Gänze) bezahlt werden?

Die betroffenen Betriebsstätten sind grundsätzlich für die Öffentlichkeit geschlossen zu halten. Gegenüber dem Vermieter des Geschäftslokals kann der Unternehmer einen Anspruch auf Mietzinsminderung haben. Die §§ 1104, 1105 ABGB regeln den Fall, dass das Mietobjekt durch ein außergewöhnliches Ereignis („außerordentlicher Zufälle“) nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann. Darunter fallen generell Umstände, die derart außerhalb menschlicher Kontrolle liegen, dass im Allgemeinen dafür von niemandem Ersatz erwartet werden kann (7 Ob 520/87). Angenommen wird dies bei hoheitlichen Verfügungen, die nicht von den Vertragsparteien provoziert wurden (Iro/Rassi in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger ABGB5 § 1104 Rz 2 mwN), wie etwa bei einem behördlich verfügten Verbot der Produktverarbeitung im gepachteten Unternehmen (Binder/Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1104 Rz 2 mwN).

Der Ausbruch des Coronavirus und die darauffolgenden Maßnahmen sollten diese Voraussetzung erfüllen. Je nach dem, ob das Objekt noch eingeschränkt genutzt werden kann (etwa für Bürotätigkeiten), kann der Bestandzins ganz oder teilweise gemindert bzw. sollte dieser lediglich unter Vorbehalt der Rückforderung gezahlt werden.

Zu beachten ist aber, dass diese Bestimmungen durch Vereinbarung geändert werden können. Es ist daher zu prüfen, ob der konkrete Mietvertrag abweichende Regelungen enthält.

Kann ein angemieteter Geschäftsraum vorzeitig gekündigt werden?

Ist eine Betriebsstätte von der behördlichen Maßnahme betroffen, kann der Mietvertrag über das Geschäftslokal nach derzeitigem Stand nicht vorzeitig (außerordentlich) gekündigt werden. Die Sperre ist (vorerst) nur von vorübergehender Dauer. Sollte diese aber auf längere Zeit erstreckt werden, sind außerordentliche Kündigungsrechte neu zu bewerten.